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Wie kam es nur dazu? Was hatten wir
erwartet, wie es ausgeht? Wäre auch ein anderes Ende möglich
gewesen, hätte die Macht des falschen Königs gebrochen werden
können? Vielleicht... doch ich sollte am Anfang beginnen.
Die Baroness hatte mich zu sich gerufen
von seltsamen Träumen und Stimmen geplagt, die ihr seit Wochen den
Schlaf raubten. Doch so müde sie auch wirkte, sah ich doch zum
ersten Male seit beinahe einem Jahrzehnt wieder ein dünnes Lächeln
auf ihrem Gesicht, in ihren Augen glitzerte Hoffnung, die sie
eigentlich schon lange begraben hatte. Ihren Verlobten hatte sie im
Schlafe gesehen, er habe sie angesprochen und habe ihr mitgeteilt, es
gäbe eine Möglichkeit für ihn zurück zu kehren aus dem Dunkel des
Todes. Zweifelnd sah ich sie an, sie muss diesen unausgesprochenen
Zweifel erkannt haben, bemühte sie sich doch die Glaubwürdigkeit
ihrer Visionen deutlich zu machen. Ich konnte es kaum glauben und
wollte es doch, zerriss es mir doch jedes Mal aufs Neue das Herz,
wenn ich sie still weinen und trauern sah. Zwar hielt ich diese ganze
Geschichte für suspekt und seltsam, dennoch erklärte ich mich dazu
bereit mit zwei weiteren Getreuen der Anleitung der Stimme zu folgen
und dem verstorbenen Geliebten meiner Herrin zur Hilfe zu eilen, auch
wenn dies möglicherweise eine Falle war und unser Ende bedeuten
würde. Meine Erinnerungen an den Weg zur angegebenen Stelle sind
verschwommen und werden immer undeutlicher. Schon seltsam, wie mein
eigenes Leben in der weltlichen, der mundanen Sphäre in immer
weitere Ferne rückt und ich Mühe habe, mich an das Gesicht der
Baroness zu erinnern, die uns zum Abschied von den Zinnen der Burg
zuwinkte...
Dunkelheit. Dunkelheit und eine Stimme.
Das war es, was ich beim Übergang erlebte. Eine kriecherische
Stimme, die offenbar die Mächte der Verderbnis anrief, voller
Entsetzen fand ich mich in einem rituellen Achtstern wieder, als die
Dunkelheit wich, ein widerlicher kleiner Mann spie allerlei
Beschwörungsformeln und Flüche gegen die guten Götter hervor,
ringsum erkannte ich meine Begleiter und andere, die ich nicht kannte
und die aus fernen Ländern zu stammen schienen. Die Landschaft sah
aus wie ein normaler Wald und dennoch... genauere Blicke offenbarten
Unterschiede, die Art der Bäume hatte ich noch nie gesehen, alles
wirkte auf seltsame Weise künstlich. Das Gefasel des Kultisten
endete und er führte uns, die wir noch ganz perplex und verwirrt vom
Übergang an diesen Ort, „irgendwo im Inferno“, wie uns unser
abscheulicher Ortskundiger mitteilte, an den Hof finsterster
Kreaturen, deren Beschreibung allein eine Gefahr für das Seelenheil
unbescholtener Menschen darstellen würde. Und dort sahen wir ihn...
er war es tatsächlich, der Verlobte meiner Herrin stand vor uns,
sprach und war offenbar überrascht uns zu sehen. Wie es zu erwarten
war, die ganze Sache war eine Falle der anwesenden dämonischen
Wesenheiten.
Was hätten wir tun sollen, wie hätten
wir uns verhalten sollen? Der Wille zum Widerstand war vorhanden bei
uns, die wir doch lebendig an diesen Ort des Schreckens gekommen
waren, doch wir sahen, wie die versammelten Toten, die durch die
Macht unseres unmenschlichen Gastgebers wieder Körper und Verstand
an diesem Ort erhalten hatten, vor jenem das Haupt beugten und sich
auf alles einließen, was er ihnen mit vor Lug und Trug triefender
Stimmer versprach. Zurück ins Leben wollte er jene bringen, die sich
in den Spielen, die er veranstalten wollte, durchsetzten. Selbst
unser Herr, zu dessen Unterstützung wir hergeeilt waren, schien sich
auf diesen schändlichen Handel ein zu lassen, auch wenn wir ihn
warnten und anflehten, den grausamen Anhängern des Weltenvernichters
nicht zu glauben.
Hatte ich dafür 5 Jahre lang im Krieg
gekämpft gegen jene, die uns nun als ihre „Gäste“ zu allerlei
Schandtaten und auch zur Zwietracht untereinander anhielten? Immer
furchtbarer wurden die Spiele, die abgehalten wurde, so gut wir es
konnten, entzogen wir uns, ungläubig mussten wir jedoch mit ansehen,
wie unser Herr offenbar bereit war, den gleichen Weg wie jene
schwachen Seelen einzuschlagen, die all jene Abscheulichkeiten
mitmachten nur für die trügerische Hoffnung auf eine Rückkehr ins
körperliche Leben.
Dann holten sie ihn zu sich, drohten
ihn zu opfern, ihm den Kopf abzuschlagen und diesen buchstäblich als
Spielball zu benutzen. Starr vor Schrecken betrachteten wir die
Szene, sie wollten ihn zwingen einen anderen der Anwesenden zu
benennen, auf das sie ihm diese schreckliche Schändung des Körpers
antun könnten. Doch der Herr blieb standhaft und mit ruhiger Stimme
teilte er den geifernden Dämonen und dem restlichen Abschaum mit,
dass, wenn sie denn jemanden quälen und opfern wollten, sie ihn
nehmen sollten, damit niemand anders dieses Schicksal zu erleiden
hätte. Wir, die wir gekommen waren, ihn zu retten, traten vor um
unsere eigenen Köpfe an seiner statt anzubieten, was unseren Herrn
mit Schrecken erfüllte, wollte er doch nicht, dass jemand für ihn
stürbe. Doch die wankelmütigen Dämonen hatten sich längst für
einen anderen entschieden, den sie quälen und töten könnten und
schickten uns alle wieder weg aus ihrem Thronsaal. Erschüttert, aber
noch nicht gänzlich überzeugt, wollte unser Herr weiter an den
Spielen teilnehmen.
Doch dazu sollte es nicht kommen, denn
an seiner statt wurde der Oger in den Thronsaal geschleppt und auf
den schwarzen Opfertisch in der Mitte des Raumes gebunden. Ich kann
nur vermuten, was sie ihm bereits alles angetan hatten, als sie nach
unserer Heilerin schicken ließen, die die bedauernswerte Kreatur
wieder stabilisieren sollte, damit sie weiter ihre Greueltaten an ihr
verüben konnten. Ich versuche das Bild aus meinem Kopf zu
vertreiben, doch es gelingt mir nicht, ich kann nicht vergessen, wie
die Dämonen und ihr menschliches Gefolge ringsum lachten und sich
amüsierten über die Qualen, die dem Oger zugefügt wurden, wie er
schrie und litt, wie die beiden abscheulichen Kreaturen, die ihn
folterten, mit kalter Stimme den Zuschauern beschrieben, was sie ihm
antaten. Noch schlimmer waren jedoch die Teilnehmer der Spiele, die
Toten, die offenbar inzwischen Gefallen an dem Treiben der Dämonen
gefunden hatten und ebenfalls voll perverser Freude zusahen, wie das
Blut floss. Angewidert wollte ich mich abwenden, doch ich konnte es
nicht, musste die Szene mit versteinerter Miene beobachten. Der
Heilerin gebührt alles Lob ob ihres Mutes: Anstatt zu tun, weshalb
man sie gerufen hatte und die Wunden zu versorgen, sorgte sie
heimlich für das Ableben des Ogers. Während die Dämonen sich noch
über seinen Tod ärgerten und die Leiche weiter verunstalteten,
führte ich sie, über deren Wange die Tränen liefen, schnell aus
dem Raum und zurück zu unserem Herrn.
Er hörte sich erschüttert unseren
Bericht an, selbst jene, die bei ihm saßen, verstummten. Einige Zeit
schwieg unser Herr, dann nickte er, sah uns an und sagte uns, dass
wir recht hätten, es könne keinerlei Kooperation mit den Mächten
der Verderbnis geben und er dankte uns dafür, dass wir ihn wieder
auf den richtigen Weg zurück geführt hätten. Er schien vor unseren
Augen zu wachsen, während er sprach und klar stellte, dass der Zweck
niemals die Mittel heiligen könne und dass wir fortan an keinem der
Spielchen der Kreaturen mehr teilnehmen würden. Zudem gelobte er
alles zu tun um ihre Pläne zu vereiteln oder bei dem Versuch zu
sterben. Ich musste schlucken, war mir doch in diesem Moment
endgültig klar, dass weder er noch wir jemals wieder lebendig zu
seiner Verlobten in die mundane Sphäre zurückkehren würden. Ich
versuchte mich an ihr Lächeln beim Abschied zu dieser Mission zu
erinnern, doch es gelang mir nicht, schon da war meine Erinnerung an
mein Leben getrübt.
Vorbereitungen wurden getroffen.
Verbündete wurden gesucht. Pläne wurden gemacht. Doch sollte es
alles anders kommen... den entscheidenden Moment verpassten wir.
Jener, der den Schlag gegen die Dämonen beginnen sollte, war zu sehr
an seiner eigenen, kleinen Existenz und seinen eigenen, kleinen
Plänen interessiert und ließ uns im Stich um doch wieder nach den
Regeln der Kreaturen zu handeln. Tatenlos mussten wir mit ansehen,
wie die Ereignisse im Thronsaal sich überschlugen und wie der
falsche König auf schändliche Weise über seine Feinde unter den
anderen Kreaturen triumphierte. Hätten wir nun doch nicht handeln
sollen? Hätten wir unser Knie beugen sollen vor den dämonischen
Mächten und all das verraten, wofür wir gekämpft hatten, im Leben
und auch im Tod? Niemals!
Als unser Herr seine Klinge zog, war
unser Schicksal, unser Tod eigentlich bereits beschlossen. Dennoch
folgten wir ihm mit erhobenen Waffen, als er im Namen des wahren
Königs, „für König Warnulf Torwendil!“, seinen Schlachtruf
erschallen ließ und sich auf die Geschöpfe des Feindes warf. Ich
sah tapfere und gute Menschen fallen unter den Hieben und Klingen der
Kreaturen und ihrer menschlichen Diener, ich sah verzweifelten Mut,
als unsere Heilerin, die kaum ihr Schwert heben konnte, die Wachen
des falschen Königs attackierte und während ich mein bestes tat um
meine eigene Haut ebenfalls so teuer wie möglich zu verkaufen,
spürte ich die Hand der Frau des falschen Königs auf meiner
Schulter. Selbst durch meine Rüstung hindurch fühlte ich die Kälte
ihres Griffes, ich hörte gezischte Worte in einer Hexensprache, die
ich nicht verstand, dann trübte sich mein Blick, mein Körper wurde
unbeweglich und verwandelte sich binnen Sekunden in festen, harten
Stein.
Das letzte, was ich sah, war mein Herr,
der sich gegen zwei Angreifer zur Wehr setzte und blutüberströmt
zusammenbrach. Dann wurden auch meine Augen zu Stein und ich sah und
fühlte nichts mehr.
Eine Rückkehr gibt es nicht, weder für
mich noch für einen meiner Begleiter oder für unseren Herrn, für
den wir das ganze getan haben. Dennoch... bin ich nicht von Trauer
erfüllt. Wir haben getan, was getan werden musste, auch wenn es
unser eigenes Leben gekostet hat. Wir haben uns den Dämonen der
Verderbnis entgegen gestellt und uns ihren Spielchen widersetzt, auch
wenn wir sie nicht verhindern konnten. Auch wenn unsere Körper
vernichtet, unsere Seelen verloren sind... wir haben uns nicht von
ihnen korrumpieren lassen. Niemals hätten wir seiner Verlobten,
seinen Freunden oder seinem Vater ins Antlitz blicken können, wäre
er zu dem Preis, den die Kreaturen der Verderbnis forderten, ins
Leben zurück gekehrt.
Ich weiß nicht, warum ich das erzähle.
Ich weiß nicht, wem ich das erzähle. Ich denke nur, so lange mein
Geist noch dazu fähig ist zu denken, dass es erzählt werden muss,
auf dass es nicht in Vergessenheit gerate und auf dass sich
irgendwann vielleicht jemand daran erinnere. Möge es nicht vergessen
werden.