Dienstag, 31. März 2015

Die Antwort...

... ist natürlich zweiundvierzig. Dies ist der 42. Beitrag in diesem Blog. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit... keit ... eit... eit... (Das Echo verhallt in dem riesigen leeren Raum).

Kurzgeschichte: Vor dem Spiegel.

Die Vorgabe war: Eine Woche Zeit, Fantasygenre, die Stichworte "Liebe, Mord, Spiegel" und eine Länge von 5000 bis 10000 Zeichen. Es wurden 9361.

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Ich erinnere mich, dass ich mich freute, als der Spiegel endlich geliefert wurde. Groß war er, vier kräftige Männer trugen ihn, jeder an einer Ecke, ich konnte ihnen die Anstrengung ansehen. Leicht nervös versuchte ich sicherzustellen, dass sie das gute Stück nicht beschädigten, sie versuchten sich ihren Ärger über meine Anweisungen nicht anmerken zu lassen, doch ich sah es wohl. Es war schon immer Teil meiner Position die Menschen zu durchschauen. Man benötigt diese Fähigkeit als Patriarch eines Hohen Hauses in dieser Stadt, sonst endet die eigene Herrschaft zwangsläufig sehr abrupt.
Als der Spiegel endlich an Ort und Stelle war, betrachtete ich ihn ausgiebig und suchte nach möglichen Transportschäden. Doch die Träger hatten ganze Arbeit geleistet und sich sehr viel Mühe gegeben, die glatte Oberfläche war makellos und auch der wuchtige verschnörkelte Rahmen aus dunklem Holz wies keinerlei Kratzer auf. Ich nickte ihnen zufrieden zu und ließ jedem von ihnen ein Silberstück durch einen meiner Hausdiener aushändigen. Sie gaben sich alle Mühe ihrem Dank Ausdruck zu verleihen und verschwanden schleunigst, scheinbar machte sie die ungewohnte Umgebung nervös. Vermutlich haben sie das Silber noch am selben Abend in einer der zahllosen Kneipen der Unterschicht versoffen, aber das scherte mich nicht. Ich hatte nur Augen für den Spiegel.

Der Hexenmeister Janus, bei dem ich ihn erstanden hatte, hatte mir klare Anweisungen für seine Benutzung mit auf den Weg gegeben.
Stellt Euch vor den Spiegel, schließt eure Augen und konzentriert euch für einige Sekunden intensiv auf den Ort oder die Person, die ihr sehen wollt. Öffnet sodann Eure Augen und Ihr werdet das gewünschte Bild vor Euch sehen.“ Janus hatte bei diesen Worten seinen langen weißen Bart gestreichelt. Ich weiß, dass ich mich sehr bemühen musste meinen Abscheu gegenüber der Kreatur vor mir zu verbergen. Blass und gebeugt hatte er in dem Raum gesessen, den er offenbar als sein Studierzimmer ansah. Er wirkte unterernährt, sein Schädel war kahl und voller seltsamer Flecken. Sein Bart, den er so voller Stolz liebkoste, war dünn und strähnig, man konnte sein weißes Kinn darunter hervor scheinen sehen. Von der Qualität seiner Kleidung und den lächerlichen Einrichtungsgegenständen, die wohl seine Kunden in die richtige Stimmung versetzen sollten, obwohl man deutlich sah, das keiner davon echt war, will ich gar nicht erst anfangen. Janus hatte mich nach seinen Worten angegrinst, die Zahnlücken in seinem Mund passten zu seinem fauligen Atem. Ich hielt die Luft an.
Aber seid gewarnt, Herr“, er hob den Zeigefinger, als würde er zu einem Schuljungen sprechen, „verwendet den Spiegel nur, wenn es wirklich vonnöten ist, jede Benutzung birgt ein gewisses Risiko für den ungeschulten Geist.“
Ich hatte nur genickt und ihm mit spitzen Fingern den Beutel mit der fürstlichen Summe überreicht, die wir für den Zauberspiegel ausgehandelt hatten. Sein Grinsen war dabei noch etwas breiter und gieriger geworden.

Und nun stand er endlich vor mir und ich konnte ihn nach Belieben verwenden. Wie ich schon erwähnte, das Durchschauen der Menschen ist wichtig für den Erfolg meiner Position, mit diesem kleinen, magischen Hilfsmittel jedoch würde ich in kürzester Zeit mein Haus zum mächtigsten der gesamten Stadt machen. Kein Schritt meiner Gegner würde mir verborgen bleiben. Jedes Auflehnen gegen meine Macht wäre vergebens. All ihre Geheimnisse lagen offen vor mir. Ich lächelte vergnügt und betrachtete mein Spiegelbild, das noch viel vergnügter wirkte, als ich mich fühlte. Ich überlegte, auf welche Weise ich meine neue Investition wohl testen sollte.
Die Entscheidung kam schnell, ich wollte einen Blick in die Ratshalle werfen. Ich schloss die Augen und stellte sie mir vor. Ich hatte viele Stunden dort verbracht, somit war es kein Problem sie mir vor mein geistiges Auge zu rufen. Nach einigen Sekunden öffnete ich meine Augen wieder und betrachtete den Spiegel. Er sah seltsam verschwommen aus, als wäre er schlecht gearbeitet oder von einem öligen Film bedeckt. Dann verschwand mein Spiegelbild und ich sah die mir so bekannte Ratshalle. Ich grinste. Es hatte funktioniert.
Die Halle war zu dieser Zeit leer, die nächste Sitzung stand erst am nächsten Morgen an. Ich stellte fest, dass ich mit einfachen Gedanken das Bild bewegen konnte, so dass ich den Raum aus verschiedenen Blickrichtungen betrachten konnte. Nachdem ich mich kurz abgewandt hatte, war jedoch wieder nur mein eigenes Spiegelbild in der glatten Oberfläche zu sehen.
In den nächsten Tagen und Wochen benutzte ich ihn immer wieder, meinen Zauberspiegel. Ich lernte, dass ich auch hören konnte, was gesprochen wurde, wenn ich mich auf Menschen konzentrierte und sie heimlich beobachtete. Die durch dieses magische Kleinod gewonnenen Informationen brachten meine Geschäfte gewaltig in Schwung, kein Geheimnis meiner Konkurrenz blieb mir verborgen und meine politischen Gegner konnten keine Intrigen gegen mich spinnen, von denen ich nicht nach kürzester Zeit gewusst hätte. Doch dann, auf dem Höhepunkt meiner Macht und meiner Möglichkeiten, sah ich sie.
Ich bespitzelte gerade einen meiner ärgsten Widersacher, als meine Aufmerksamkeit von einer jungen Dame im Hintergrund der Szene gefangen wurde. Sie war das liebreizendste Wesen, auf das meine Augen jemals fielen und ich war ihr sofort verfallen. Im Nu war der eigentliche Zweck meiner Sondierung vergessen und ihr Antlitz füllte den gesamten Spiegel vor mir aus. Die nächsten Stunden verbrachte ich damit ihr zuzuschauen, sie zu bewundern und alles über sie zu erfahren.
Sie schien eine Freundin der Tochter meines Feindes zu sein, jedenfalls gingen die beiden Mädchen sehr freundschaftlich miteinander um. Ich sah ihnen beim Essen zu, beim Spaziergang durch die Gärten und beim Herumalbern über belanglose Themen. Ich vergaß darüber vollkommen die Zeit.
In den nächsten Tagen ging es bergab mit mir. Ich verpasste immer wieder Ratssitzungen. Der Zauberspiegel, der mir eigentlich nur für geschäftliche Zwecke dienen sollte, wurde von mir nur noch für die Beobachtung meiner Angebeteten benutzt. Kaum hatte ich am Morgen das Bett verlassen, begab ich mich zu meinem Fenster in die Welt und dachte an ihr hübsches Gesicht. Den Rest des Tages verbrachte ich zumeist mit ihr, wenn auch nur von ferne. Ich aß wenig, vernachlässigte meine Geschäfte und mein Haus. Ich ließ meine Freunde und Verbündeten durch Diener abwimmeln, auch wenn ihre Anfragen immer dringlicher wurden. Ich nahm es kaum wahr, aber auch meine Dienerschaft wurde kleiner, da ich mich mit Dingen wie Lohnzahlungen nicht auseinander setzen wollte.
Dann kam das Ende. Eines Tages sah ich sie mit einem jungen Mann auf einem Spaziergang. Sie hatte sich bei ihm unter gehakt und lachte über einen blödsinnigen Scherz, den er gemacht hatte. Mein Herz zerriss fast bei diesem Anblick und meine Eifersucht wurde geweckt. Wie konnte er es wagen meine Geliebte anzusprechen, zu berühren, womöglich zu verführen? So sehr ich mir auch einreden wollte, dass sie ihn sicherlich abweisen und mir treu bleiben würde, so sehr sprachen auch alle Anzeichen dagegen. In der folgenden Zeit sah ich ihn immer häufiger in ihrer Gegenwart. Sie verbrachten die Nachmittage miteinander, einige Male besuchten sie gemeinsam ein Theater. Meine Verzweiflung und meine Wut auf meinen Nebenbuhler wuchs stetig an, doch was sollte ich tun? Ich konnte nur hilflos zusehen, wie das Unheil seinen Lauf nahm. Konnte sie nicht sehen, dass er nur mit ihr spielte, dass er sie verletzen würde? Er war nicht gut für sie.
Beim letzten Mal, als ich die beiden durch den Spiegel beobachtete, gingen sie am späten Abend durch die Gärten. Ich schrie gepeinigt auf, als er sich herunter beugte und sie küsste, sie wehrte sich nicht, ließ es zu. Hasserfüllt sah ich, wie er sie zu einer Bank führte und seine Liebkosungen fortsetzte. Ich konnte doch nicht einfach nur zusehen, ich musste handeln! Jeder hätte in dieser Situation gehandelt, wenn er noch einigermaßen bei klarem Verstand gewesen wäre. Seit Wochen zum ersten Male fiel mir auf, dass ich ja nur Ereignisse beobachtete, die wahrhaftig gerade stattfanden. Ich konnte eingreifen, ich musste mich nur von dem Spiegel losreißen.
Dies gestaltete sich sehr schwierig. Ich musste meine gesamte verbliebene Willenskraft einsetzen, um nur den Kopf zu drehen. Als das Bild der beiden auf der Bank verschwunden war, blickte ich in mein Gesicht. Ich hatte anscheinend etwas abgenommen. Eine Rasur würde mir gut tun. Aber die kalte, klare, ein wenig fiebrige Entschlossenheit in meinen weit aufgerissenen Augen machte mir Mut. Mit einer schnellen Handbewegung stieß ich den Zauberspiegel um, der mich so lange gefangen hatte. Ich würde nun aktiv werden und nicht länger der Zuschauer sein. Er zersprang auf dem kalten harten Steinboden in tausend Scherben. Ich grinste breit und griff mir die größte von ihnen, achtete nicht auf das Blut, das mir dabei über die Hand lief, als die scharfe Bruchkante in mein Fleisch schnitt. Den Weg in die Gärten kannte ich, ich würde die beiden schon finden und mir dann nehmen, was mir gehörte.
Im Hinausgehen glaubte ich kurz das breite Grinsen und die Zahnlücken des Hexenmeisters in einem der Spiegelfragmente am Boden zu sehen, dann war es das liebliche Lächeln meiner Angebeteten; doch bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass es nur mein eigenes Spiegelbild war.

Montag, 30. März 2015

Die graue Wut

Ich bin wütend. Leider weiß ich nicht genau, warum...

Es geht schon seit Wochen so. Kleinste Kleinigkeiten ärgern mich. Das Verhalten meiner Mitmenschen lässt mich innerlich schreien. Ereignisse und Situationen führen zur gleichen Reaktion. Zusätzlich spüre ich Wut auf mich selbst, zum Teil eben auch, weil ich diese Wut empfinde, ein Teufelskreis. Man stelle sich an dieser Stelle mein betroffenes Kopfschütteln vor.

Des Nachts liege ich in meinem Bett, starre an die Decke und diskutiere in meinem Kopf. Ob mit mir selbst oder mit anderen Personen, es läuft immer darauf hinaus, dass ich meine Fehler in vergangenen Situationen und Begegnungen erkenne und wiederum wütend bin, dass ich so falsch gehandelt habe. Zudem regt es mich auf, dass ich diese Gehirndiskussionen überhaupt führe, da sie natürlich meinen Nachtschlaf negativ beeinflussen. Dementsprechend bin ich am nächsten Tag aus Schlafmangel wiederum schlecht gelaunt und/oder nicht so leistungsfähig, wie ich es gerne wäre und... ja, auch hier ist wieder das selbstmitleidige Kopfschütteln passend.

Wo fühlt man die Wut? Ich spüre sie im Kopf, oben, an der Schädeldecke. Wenn sie da ist, ist es wie ein leichter Druck, der nach außen drängt. Zudem spannt sich der Kiefer an und der Brustkorb fühlt sich an, als wolle er sich wie eine Blume öffnen, aufbrechen, als wolle das Herz jemanden anspringen und beißen. Da diese Wut eine graue, hilflose ist (weil ich ihre ursprüngliche Ursache nicht genau kenne, nur ihre Auslöser), kommt noch eine Muskelanspannung in den Armen und Beinen dazu. Der unterdrückte Impuls jemanden zu packen und zu schütteln und anzuschreien. Kopfschütteln? Natürlich.

Was tut man nun dagegen? Positive Erlebnisse entgegensetzen. Sich entweder den Gedanken stellen und sie lösen oder sie durch weniger negative ersetzen. Bewegung und solche Dinge. Soziale Kontakte. Das klingt doch alles sehr vernünftig und einfach. Zusammenfassen kann man das vermutlich in langem, befriedigenden, kräftezehrendem Sex. Damit müsste alles abgedeckt sein... Freiwillige vor! Was soll jetzt das Kopfschütteln?!