Samstag, 29. November 2014

Terminfindungsprobleme

Warum fällt es Menschen anscheinend so leicht mir abzusagen? Es häuft sich schon, wenn ich die letzten Monate betrachte. Liegt es an meinem Freundeskreis, habe ich einfach mehr Berührungspunkte mit chaotischen Leuten, bei denen man mit so etwas einfach rechnen muss?

Vielleicht... vermutlich liegt es aber wirklich an mir. Ich mache es meinen Freunden zu leicht mir abzusagen. Ich reagiere immer verständnisvoll und lasse Terminverschiebungen zu, ich kommuniziere jedes Mal, dass es kein Problem ist, ich zeige keinen Ärger oder Frustration, auch wenn ich es so empfinde. Dadurch entsteht natürlich bei den Menschen ein Gefühl, dass es nicht so schlimm ist, wenn man ein vereinbartes Treffen mit mir absagt, auch kurzfristig, oder einfach nicht erscheint, da ich damit offensichtlich umgehen kann. 

Wie kommt das nun bei mir wirklich an?
Ich fühle mich herab gesetzt. Es erweckt den Eindruck bei mir, dass ich keine besondere Priorität für diese Personen habe, da sie scheinbar leichtfertig mit mir und meiner Zeit umgehen. Meine Zeit ist, wie es aussieht, nicht so wichtig und es ist in Ordnung, wenn ich sitzen gelassen werde, da ich ja immer Verständnis habe.
Ich fühle mich verunsichert, da ich nicht so genau sagen kann, ob ein solcher Mensch nicht vielleicht nur eine Ausrede verwendet hat, um dem Treffen mit mir, das er als lästige Pflicht ansieht, zu entgehen, besonders dann, wenn kein alternativer Termin zustande kommt.
Es ist jedes Mal schwer für mich mit jemandem ein Treffen auszumachen. Jedes Mal ist es ein Kampf mit mir selbst, jedes Mal bin ich nervös, da ich einem anderen Menschen begegne und mir so vieles durch den Kopf geht, doch jedes Mal auf Neue zwinge ich mich dazu das ganze durchzuhalten und selbst keine Ausrede zu verwenden um der Situation auszuweichen. Dementsprechend fühlt sich so etwas immer wieder wie ein Schlag in die Magengrube an. Wozu der Aufwand, wozu die Nervosität, aber auch wozu die Vorfreude, wenn ich doch eigentlich schon vorher weiß, dass es nichts wird?
Es tut einfach weh, dieses Gefühl nicht wichtig genug zu sein, als dass man sich darum bemüht Termine mit mir einzuhalten.

Natürlich ist das unfair und stimmt so nicht. Sicherlich sind die Menschen, die dies tun, ein wenig gedankenlos oder eben zu sehr mit sich selbst beschäftigt, was ich ihnen nicht verdenken kann. Der eigentliche Fehler liegt aber eindeutig bei mir, da ich zu selten meinem Unmut über solche Absagen Luft mache. Wie sollen die anderen denn wissen, dass mich etwas verletzt, wenn ich es nicht kommuniziere? Und wie kommuniziere ich es?

Sonntag, 16. November 2014

Meine Geschichte

Vor einigen Tagen stolperte ich im sozialen Netzwerk über diesen Link. Ich finde den Ansatz sehr spannend und beeindruckend. Kurz zusammengefasst geht es darum, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen ihre Geschichte erzählen und mit der Welt teilen sollten, nicht um Aufmerksamkeit für sich selbst zu generieren, sondern um zu zeigen, dass es keine Schande ist, kein Stigma bedeutet mit einer solchen Problematik zu leben. Viele Menschen haben ähnliche Erfahrungen gemacht und oft genug wird ihre Krankheit von ihrer Umgebung nicht erkannt oder verharmlost. Für mich war bei der Lektüre des Textes neu und erschreckend, dass die Anzahl der jährlichen Toten durch Suizid die Zahl derer, die durch Kriege und Tötungsdelikte zusammengefasst sterben, übersteigt – wenn man das ein wenig sacken lässt, ist es aber leider nicht mehr so überraschend. Vielleicht liege ich vollkommen falsch, wenn ich diesem Text zustimme. Vielleicht wirkt es alles weinerlich und schwach, dass ich mir Gedanken darüber mache. Aber vielleicht, nur vielleicht, ist es auch richtig offener mit psychischen Erkrankungen umzugehen. Vielleicht hilft es Betroffenen, die dies aus verschiedenen Gründen nicht können, sich auch zu offenbaren und Hilfe zu suchen. In diesem Sinne folgt dann nun an dieser Stelle meine Geschichte.

Ich habe Depressionen und soziale Phobien/Angststörungen. Ich habe die Symptome sehr lange nicht zuordnen können, bis es irgendwann nicht mehr ging. Ich habe mich immer mehr zurückgezogen, habe soziale Kontakte gemieden, war schlecht gelaunt und unfair zu anderen Menschen. Ich hatte Probleme aus dem Bett zu kommen und mich überhaupt zu irgendetwas aufzuraffen, ich fühlte mich körperlich schwach und ausgelaugt, obwohl ich in den schlimmen Phasen eigentlich gar nichts gemacht habe. Dazu kam dann noch eine „Traurigkeit“ (in Ermangelung eines besseren Begriffs), die ständig da war und für die es eigentlich keine Gründe gab. Am schwersten fällt es mir stets über meine Suizidgedanken zu reden, da ich mich für diese schäme – aber eingangs habe ich ja formuliert, dass Scham nicht angebracht ist. Ich hatte diese Gedanken sehr oft und habe oft Pläne und Möglichkeiten für einen Selbstmord abgewogen. Einen Versuch habe ich niemals unternommen, die Auswirkungen auf die Leben anderer haben mich davon abgehalten – und, auch wenn es böse klingt, die Angst, dass es nicht klappt und dass ich im Krankenhaus „aufwache“. Soviel zur Depression.

Dazu kommen dann noch die genannten Angstsituationen. Ich war noch nie ein sonderlich geselliger Typ, aber das konnte sich offensichtlich noch steigern. Ich hatte Angst davor mit mir unbekannten Menschen zu reden oder auf eine beliebige Art zu interagieren, irgendwann griff das sogar auf meinen Bekanntenkreis über. Man kann sich vorstellen, dass das doch recht einschränkend für das tägliche Leben ist. In der späteren Therapie wurde es formuliert als „Angst nicht zu genügen“, und das trifft es ganz gut. Ich hatte und habe noch immer Angst, dass Menschen meine Unzulänglichkeiten erkennen könnten und mich deshalb zurückweisen. Das führte dazu, dass ich Jobs verlor, mich von Freunden zurückzog und öffentliche Situationen immer mehr mied. Selbst in diesem Moment, in dem ich diesen Text schreibe, habe ich Angst, dass er nicht ausreichend sein könnte. Vielleicht sind meine Formulierungen, meine Worte, mein Schreibstil unverständlich oder schlecht, vielleicht sind meine beschriebenen Probleme so unerheblich und uninteressant, dass die Arbeit sie niederzuschreiben völlig verschwendete Zeit ist – es ist ein ewiger Kampf.

Ich habe mir Hilfe gesucht. Zunächst über meinen Hausarzt, der überraschend verständnisvoll reagierte und sich sehr viel Zeit für mich nahm, obwohl er sonst sehr kurz angebunden ist. Dann, als die Gespräche mit ihm nicht mehr weiter halfen und ich keine medikamentöse Behandlung wollte, habe ich eine Therapie begonnen. Es ist schwer einen Therapieplatz zu finden, auch wenn man keine Angst davor hat zu telefonieren und dann mit jemandem sprechen zu müssen. Viele Menschen suchen anscheinend einen und die Wartelisten sind entsprechend lang. Das mag auf den ersten Blick ernüchternd und demotivierend sein, jedoch kann man auch hier sehen: Du bist nicht allein, viele Leute haben ähnliche Probleme, du brauchst dich nicht für deine zu schämen.
Ich hatte Glück und bin recht schnell in die Therapie gekommen und ich denke, dass sie mir geholfen hat mit mir selbst umzugehen. Es ist immer noch nicht „gut“ und das wird es vermutlich auch nicht werden. Zur Zeit merke ich, dass gewisse Muster sich wieder einschleichen und dass ich gegensteuern muss. Die „Traurigkeit“ ist wieder da, ich kapsle mich von Leuten ab und habe große Schwierigkeiten mich selbst zu motivieren, zudem vermeide ich es mit anderen über mich und meine aktuellen Probleme zu reden, da diese für sie wahrscheinlich belanglos sind oder da diese Menschen momentan zu beschäftigt mit eigenen Dingen sind – soviel zur Selbstanalyse, ich erkenne die Anzeichen und weiß, womit ich es zu tun habe. Es ist eine tückische Sache, aber ich kann wahrscheinlich dieses Mal besser damit umgehen, auch weil ich mir damals Hilfe gesucht habe.

In meinem Umfeld waren die Reaktionen unterschiedlich, aber größtenteils positiv, was ich zuvor nicht erwartet habe. Auch das kann Mut machen. Bis auf wenige Ausnahmen konnten alle, denen ich meine Erkrankung offenbart hatte, damit vernünftig umgehen. Ich habe nur sehr wenig bis gar keine Zurückweisung oder Unverständnis erfahren, wie sie in dem eingangs verlinkten Text beschrieben sind. Allerdings ist der Personenkreis, mit dem ich offen über die Sache gesprochen habe, auch sehr klein. Leider habe ich immer wieder beobachten müssen, dass andere Menschen mit ähnlichen Problemen von ihrem Umfeld nicht so ideal behandelt wurden, um es vorsichtig auszudrücken. Auch das erschreckt mich auf eine gewisse Weise.

Was bleibt dazu noch zu sagen? Psychische Erkrankungen sind keine „Modeerscheinung“ und kein Spaß. Man hat heutzutage Begriffe dafür und kann sie behandeln und das sollte man auch, da sie sehr gefährlich sind und in viel zu vielen Fällen tödlich enden. Ich bin mir sehr bewusst, wie nahe ein tödliches Ende in meinem Fall war. Ein Großteil der Bevölkerung wird mindestens einmal im Leben eine depressive Episode durchmachen. Niemand ist schwach oder ein schlechterer Mensch, wenn er solche Probleme hat. Es ist auch niemandem geholfen, wenn man mit Erkrankten umgeht, als wären sie schwach. Man kann immer Hilfe finden, Freunde und Familie, Ärzte, Therapien, Medikamente. Es sich selbst gegenüber kleinreden und „niemandem zur Last fallen zu wollen“ sind keine Lösungen, sondern machen es nur schlimmer. Das mögen ziemliche Klischees sein und ich bin mir aus eigener, leidvoller Erfahrung bewusst, dass es einige Überwindung kostet den ersten Schritt zu machen. Ich kann nur sagen, dass ich ihn gemacht habe und dass es mir geholfen hat.

Und was ist deine Geschichte?

Dienstag, 11. November 2014

Hello, darkness, my old friend...

Dies ist eine Liebeserklärung an die Dunkelheit der Nacht, meine liebste Tageszeit.

Wir Menschen verspüren eigentlich instinktmäßig Furcht oder zumindest Unbehagen vor der Dunkelheit. Dies hat vermutlich evolutionäre Gründe, das wird landläufig so jedenfalls behauptet. Wenn die Sonne untergegangen ist, werden unsere Augen, unsere wichtigste Orientierungshilfe, nahezu nutzlos, was unser kleines, paranoides Primatenhirn in Panik versetzt, da es Feinde nun nicht mehr so einfach wahrnehmen kann, bevor es möglicherweise zu spät ist. Dies ist die einfache, laienhafte Erklärung.

Und diese Angst wird auch in unserer modernen Zivilisation fleißig weitergetragen. Wir warnen uns gegenseitig davor nachts das Haus zu verlassen, denn böse Menschen lauern im Dunkeln – natürlich kennen auch die bösen Menschen diese Geschichten und werden vermutlich nicht nachts hinter Bäumen auf ihre Opfer lauern, da ihnen bewusst sein sollte, dass diese Opfer ängstlich in ihren Häusern hocken. Die wirklich bösen Menschen begehen ihre Taten im hellen Licht, wo alle sie sehen können. Straßenlaternen machen in modernen Metropolen die Nacht zum Tag, Lampen in jedem Raum des Hauses sperren die Dunkelheit aus, Scheinwerfer sorgen für Sicherheit an Autos und Grundbesitz.

Kindern wird früh eingeimpft, dass die Finsternis gefährlich ist. Im zarten Alter von vier Jahren erzählte mir meine Großmutter die liebevolle Mär vom kinderfressenden, alten Schuster, der in ihrem dunklen Keller hauste. Wahrscheinlich sollte diese Geschichte nur verhindern, dass ich die steile Kellertreppe hinabstürzte, sie machte jedoch nachhaltigen Eindruck auf meine formbare Seele. Erst mit etwa 25 Jahren habe ich das erste Mal den großelterlichen Keller betreten und festgestellt, dass er weder so „duster“ wie behauptet war, noch dass dort jemand Schuhe reparierte oder anfertigte. Und dennoch ertappte ich mich auch nach dieser Klarstellung der Verhältnisse immer mal wieder dabei, dass ich beim Verlassen von Kellerräumen meinen Gang beschleunigte und es vermied über die Schulter zu blicken um keine wertvolle Zeit zu verschwenden beim Entkommen vor etwaigen Verfolgern.

Aber wie weit entfernt von dieser urzeitlichen Angst ist doch die Wahrheit. Ein Spaziergang allein durch die nächtliche Stadt ist so wunderbar geeignet um zur Ruhe zu kommen und den Alltagsstress auf einfachste Weise loszuwerden. Wo soll man beginnen?
Die Wahrnehmung ist eine andere als bei Tageslicht. Auch wenn in unseren Städten überall Laternen die Straßen erleuchten, ist doch die Dunkelheit allgegenwärtig. Der Gesichtssinn nimmt quasi zwangsweise eine Auszeit und kann sich von den Strapazen des Tages erholen.
Das gleiche gilt für das Gehör, denn die Geräuschkulisse des Tages verschwindet fast vollständig. Wie angenehm ist es für die geschundenen Ohren, die Stunden zuvor Verkehrslärm, Musik, Handys und die Stimmen so vieler Menschen ertragen mussten, streckenweise nur das Geräusch der eigenen Schritte und das Surren der Laternen hören zu können. In unserer niemals schweigenden Welt kommt dies der Stille wohl am nächsten.
Selbst Tast- und Geruchssinn werden auf neue Art stimuliert. Aufgrund der eingeschränkten visuellen Wahrnehmung fühlt sich der Bodengrund ganz anders und unbekannt an, das richtige Schuhwerk vorausgesetzt, die kühlere Luft auf der Haut erinnert an ein sanftes, beruhigendes Streicheln. Und die Nacht hat ihren eigenen Geruch, der sich von dem des Tages unterscheidet, feuchter, erdiger, aufregender.

Wie kann man es nicht lieben allein durch die dunkle Nacht zu streifen und all diese veränderten Sinneswahrnehmungen, die unendliche Weite der Sterne über sich und die göttliche Stille um sich herum einfach nur auf sich wirken zu lassen? Wenn dann noch der Mond alles in ein gespenstisches Licht taucht, wenn der Alltag in den Hintergrund tritt, wenn man sich von Einsamkeit und Finsternis durchdringen lässt, kann man endlich Frieden und Ruhe empfinden.

Es gibt viele Menschen, die dies nicht verstehen. Sie vermuten ein Problem, wenn jemand mitten in der Nacht ohne ein konkretes Ziel und ohne Begleitung das Haus verlässt um einige Stunden spazieren zu gehen. Wie weit entfernt sie doch von der Wahrheit sind. Es gibt kaum einen Moment, in dem es mir besser geht.


Montag, 3. November 2014

Wie es geht

„Wie geht es dir?“ - ein häufig benutzter Gesprächseinstieg.
Eine wahrheitsgemäße Antwort wird in der Regel nicht erwartet, ist die Frage doch mehr eine rhetorische Floskel, auf die die antrainierte Erwiderung „Gut, und dir?“ erwartet wird. Nachdem dann auch der erste Fragende seinen „guten“ Zustand bestätigt hat, steht dem Smalltalk nicht mehr viel im Wege. So weit, so üblich und oberflächlich.

Von Zeit zu Zeit wird die Frage auch mit echtem Interesse geäußert, dies sind aber seltene Ausnahmen. Manchmal existiert ja doch ein gewisses Mitgefühl mit anderen Menschen oder man fühlt sich eben verpflichtet in unregelmäßigen Abständen entsprechendes Interesse zu heucheln.

Ich habe noch zwei weitere Situationen für die Frage kennengelernt:

Variante 1: Die Frage wird gestellt, da ich anscheinend vor kurzem durch garstiges, sarkastisches oder anderweitig jemandem vor den Kopf stoßendes Verhalten aufgefallen bin. Sie soll mich zum Nachdenken über mein Verhalten, schlechtem Gewissen und natürlich einer Entschuldigung bewegen.

Variante 2: Die Frage soll die übliche Gegenfrage provozieren. Meine Antwort ist hierbei unerheblich, da die Person, die die Ursprungsfrage stellte, einfach nur eine Einleitung braucht um ihre Problem, Sorgen, Nöte und sonstiges danach in Worte zu fassen.

Alles in allem ist es eine leere Frage, deren Beantwortung beliebig ist, denn wirklich interessant ist in jedem der beschriebenen Fälle wohl nur, was danach kommt. Unwichtig ist stets, wie es um den Befragten wirklich bestellt ist.

Und, wie geht es dir?