Donnerstag, 24. Oktober 2013

Wahnsinn des Alltags: Baustellen-Opas

Kaum ist an einer Stelle eine Baustelle beliebiger Art errichtet worden, Absperrungen stehen, Männer in oranger Arbeitskleidung schwärmen aus, schwere Maschinen beginnen lärmend ihr Werk – da sind sie auch schon nicht mehr fern, die Baustellen-Opas nähern sich. Ältere Männer finden sich ein, verteilen sich entlang der Absperrungen und beobachten mit strengem Blick und verschränkten Armen die Arbeiten. Je nach den Ausmaßen der Baustelle, Anzahl und Größe der eingesetzten Maschinen und dem Ort, an dem sie errichtet wurde, variiert die Zahl der angelockten Herren. Während bei der Ausbesserung eines kleinen Stückes Gehweg in einem Wohngebiet nur ein einzelner jeden Hammerschwung und jeden neu gelegten Stein sehr genau und kritisch beäugt, kann an anderer Stelle bei größeren Projekten, die den Einsatz von Baggern, Kränen und ähnlichem lautstarken Gerät erfordern, schnell ein halbes Dutzend auftauchen, das sich entlang der Zäune um die Baustelle verteilt.

Der Baustellen-Opa an sich ist dabei eine kommunikative Person. Gerne teilt er den Arbeitern seine eigene Einschätzung oder Erfahrung mit den vorliegenden Aufgaben mit, auch seinesgleichen gegenüber zeigt er sich wortreich und als Experte der Lage. Zufällig vorbei kommende Passanten können sich von Zeit zu Zeit ebenfalls nur schwer den Ausführungen entziehen und müssen sich alle Mühe geben ohne allzu viel Unhöflichkeit den Ort des Geschehens wieder zu verlassen. Seltener finden sich die Ehefrauen der Baustellen-Opas dort ein und starren mit leerem Blick vor sich hin, während ihre Gatten ihre Weisheit zum besten geben. Wahre Liebe oder die Gewöhnung vieler Jahre, und oft ist es schwer das eine vom anderen zu unterscheiden, selbst bei jüngeren Paaren, halten sie vermutlich dort und lassen sie das Gerede ihrer Männer ertragen.

Letztlich wecken die Arbeiten wahrscheinlich Erinnerungen an die eigene Arbeitszeit und Leistungen, in denen die Baustellen-Opas schwelgen bei ihrer Beobachtung. Die Arbeiter, gewöhnt an derlei Zuschauer, gehen stoisch ihren Beschäftigungen nach und auch wenn andere Menschen vermutlich in ihrer Konzentration und Leistungsfähigkeit nachlassen würden, wenn jemand ununterbrochen jeden Schritt und jeden Handgriff beobachtet und auch sofort kritisiert, wenn er nicht den Vorstellungen des Beobachters entspricht, schaffen sie es, unbeeindruckt und unberührt ihre Pflichten zu erfüllen. Niemand wird also geschädigt, abgesehen vielleicht von den erwähnten Passanten und Ehefrauen, doch ist es jedes Mal wieder eine amüsante Sache für das aufmerksame Auge die Baustellen-Opas rund um ein beliebiges Loch im Boden zu zählen.

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