„Solange ein Mensch in unseren
Erinnerungen weiterlebt, ist er nicht wirklich tot.“
Diesen Satz hörte ich das erste Mal
mit etwa 10 Jahren und, entgegen seiner wohl tröstlichen Intention,
er entsetzte mich und nahm meinem kindlichen Ich keinesfalls wie
gewünscht die Angst vor dem Tod. Denn ich betrachtete die Sache
nüchtern: Wie lange erinnert man sich schon an einen Verstorbenen,
wer bewahrt diese Erinnerung und wann ist sie endgültig
verschwunden? Freunde, Nachkommen, Familienmitglieder mögen die
Person in diesem Zustand der gedanklichen Existenz bewahren, doch
irgendwann gehen auch sie den Weg allen Irdischen. Ich rechnete mir
aus, dass dieses Leben in der Erinnerung spätestens nach einer oder
zwei Generationen ebenso beendet sein würde wie das körperliche.
Dieser Hauch von Unsterblichkeit, den die Person, ich weiß nicht
einmal mehr, wer es war, durch diesen Satz vermitteln wollte, wurde
davon geweht durch meinen präpubertären Pragmatismus.
Damals erkannte ich, dass es nur
verschwindend wenigen Menschen möglich ist, auf diese Art
langfristiger weiter zu leben. Namen aus dem Geschichtsunterricht
geisterten mir durch den Kopf, Personen, die vor Jahrhunderten gelebt
und gestorben waren, deren Werk oder Einfluss aber bis heute
nachwirkt. Künstler, Denker, Anführer – dies waren die Menschen
der Ewigkeit für mich. Und voll Naivität und ohne einen wirklichen
Begriff von Leben und Vergehen zu haben, dachte ich in stillen
Momenten, dass auch ich auf diese Art ewig sein wollte. Dass man sich
an mich erinnern sollte, auch wenn man mich nicht gekannt hatte. Die
Vorstellung einfach vergessen zu werden, als hätte ich niemals
existiert, war mir unerträglich und sorgte für einige schlaflose
Nächte, in denen ich versuchte mir auszumalen, wie es wohl wäre,
nicht mehr zu sein.
Inzwischen bin ich erwachsen und dieser
kindliche Wunsch und Tatendrang sind erloschen gemeinsam mit der
Angst davor vergessen zu werden – meistens. Irgendwo schlummert
noch immer der Drang, die Begierde etwas Großes zu schaffen, doch
müde und abgestumpft, wie ich bin, erkenne ich, dass dies nur
verletzte Eitelkeit und Träumerei ist. Der Wille mag nach wie vor in
verstümmelter Form da sein, doch habe ich inzwischen eine
realistischere, nicht mehr kindlich verzerrte Sicht meiner
unzureichenden Fähigkeiten.
Manche erkämpfen sich eben die
Unsterblichkeit – doch die meisten von uns werden vom Lauf der Zeit
hinweg gefegt.
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