Eine Gruppe von Menschen sitzt irgendwo allein und unterhält
sich über Gott und die Welt, ernste Themen, unwichtige Themen, lustiges und
tiefschürfendes. Einige von ihnen sprechen weitaus mehr als die anderen,
scheinen zu allem eine Meinung zu haben, die sie auch unbedingt jedem am Tisch
mitteilen wollen, auch wenn sie noch so unberührt von Fakten und Wissen zu sein
scheint und oft genug auch eigentlich überhaupt nichts mit dem aktuellen
Gespräch zu tun hat. Doch der Klang der eigenen Stimme motiviert sie, spornt sie
zu Höchstleistung in der Geräuschproduktion an und unbedingt muss die
offensichtliche Weisheit der vielen Worte allen Anwesenden zuteilwerden. Und
solange niemand sie unterbricht oder etwas anderes tut, als zustimmend zu
nicken, zu lächeln und ab und zu Stichworte einzuwerfen, scheint die Welt für
diese Wortgewaltigen in Ordnung zu sein.
Doch es gibt etwas, das offenbar ihre Aufmerksamkeit zuverlässig
auf sich zieht, dass so wichtig ist, so unbedingt angesprochen werden muss,
dass es nicht ignoriert werden kann und früher oder später dazu führt, dass sie
sich darauf stürzen wie Geier auf einen verendeten Kadaver in der Wüste. Das
bedauernswerte Opfer ist die Person der Runde, die am wenigsten zur
Konversation beigetragen hat und sich allgemein durch ein eher ruhiges
Verhalten auffällig gemacht hat. Sie wird nun eingekreist und mit
offensichtlichen Aussagen wie „Du bist immer so still“, Verallgemeinerungen wie
„Nie sagst du etwas“ oder auch sehr unhöflichen Sprüchen wie „Ich wusste gar
nicht, dass du auch da bist, ich habe dich ja nicht gehört“ traktiert.
Plötzlich ist dieser Mensch der Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit, ein Ort, an den er ganz sicher niemals wollte. Und seine
Peiniger scheinen eine perverse Freude zu empfinden ihn immer weiter zu
bedrängen und mit dummen Sprüchen zu belästigen, bis er sich nur noch fragen
kann, warum er sich den Umgang mit solchen Leuten überhaupt noch antut. Doch
scheint es so, als könne man ihnen kaum entgehen, denn in jeder Gruppe scheint
es sie zu geben, jene, die das offensichtliche in Worte fassen müssen, jene,
die eine riesige Menge Sauerstoff verbrauchen in ihrem nicht enden wollenden
Redeschwall, jene, die ihr Gehirn durch Sprechen beschäftigt halten wollen,
damit es sie nicht mit Gedanken stören kann. All das wäre ja auch gar nicht
schlimm, sicherlich sind diese Menschen sehr glücklich, wenn sie wieder einmal
erzählen, wie toll sie doch sind oder waren in Situationen, die sonst niemanden
interessieren. Doch scheint es ein wichtiger Bestandteil dieses Verhaltens zu
sein alle, die anders sind, in für diese unangenehme Situationen zu zwingen,
weil man sie ja aus der Reserve locken, sie erziehen oder umkrempeln muss.
Die Erklärung ist simpel: Die stilleren, weniger
schwatzhaften Menschen verunsichern die anderen, weil sie sie nicht einschätzen
können. Ihnen fehlen die Ansatzpunkte, da kein steter Strom an Informationen
über Leben, Lieben und Leiden des Gegenübers zurück gesendet wird und damit
können sie nicht umgehen. So verlegen sich die Wortliebhaber auf das einzige
Mittel um ihre Unsicherheit und Angst zu überspielen und das einzige, worauf
sie sich verstehen: Sie versuchen die so widernatürliche Stille tot zu reden.
Letztlich erreichen sie jedoch das Gegenteil, denn wer keinen Bedarf an sinnlos
ausgesprochenem Gerede hat, der wird sich nicht durch eben dieses verleiten
lassen, sondern in den meisten Fällen sich eher noch weiter zurückziehen.
Sehen wir, die wir gepeinigt werden von den lauten, tumben
und geschwätzigen Schnackern, dies als Lichtblick: Sie fürchten uns, denn sie
verstehen uns nicht. Das kann wiederum uns ein perverses Vergnügen bereiten.
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