Wie bereits einmal erwähnt, wurde
meine Wohnung vor einigen Wochen mit Balkonen versehen. Die
Geschichte hinter diesen ist eine lange und komplizierte voller
Rückschläge und Wirrungen...
Schon bei der Unterzeichnung des
Mietvertrages schwärmte der Vermieter von seiner Idee das Hinterhaus
mit Balkonen auszustatten. Dieser Wunsch war wohl von einem der
Bewohner an ihn herangetragen worden und er war mit Feuer und Flamme
bei der Planung. „Nicht mehr in diesem Jahr“, der Einzugstermin
war im März, „aber nächstes Jahr geht das los“, so oder ähnlich
waren seine optimistischen Einschätzungen während des Gesprächs.
Das war 2012.
Jenes Jahr, der Weltuntergang und auch
das darauf folgende vergingen ereignislos in Bezug auf die Balkone.
Wenn man dem Vermieter über den Weg lief, erwähnte er immer wieder
gerne seinen glorreichen Plan, doch folgten diesen Worten keine
Taten. Lächeln und Nicken, das war immer die beste Antwort auf seine
Auslassungen.
Doch 2014 sollte alles anders werden.
Ein Schreiben an alle Mieter tauchte
auf, in dem nun konkrete Pläne erläutert wurden. Im ersten Schritt
sollte der Innenhof umgestaltet und Fundamente angelegt werden, im
zweiten sollten dann die Balkone gebaut werden. Mit einer Woche
Verspätung begannen die Baumaßnahmen. Tatsächlich schien das
Unmögliche plötzlich möglich zu werden, denn die Hofumgestaltung
und das Gießen der Balkonfundamente wurden nach einiger Zeit
abgeschlossen. Doch dann... nichts. Alle hielten die Luft an und
warteten darauf, dass eines Morgens Bauarbeiter die Wände erklimmen
würden, aber das Warten war vergebens. Im Herbst des vergangenen
Jahres, lange nach dem angegebenen Bautermin, erwähnte der Vermieter
bei einem zufälligen Treffen beiläufig, dass die Firma, die mit dem
Bau beauftragt war, „abgesprungen“ sei, eine etwas eigenwillige
Formulierung im Zusammenhang mit Balkonen. Er sei jedoch fieberhaft
auf der Suche nach einem neuen Angebot. Auf den Einwand, dass es dann
wohl erst im nächsten Jahr etwas werde, erwiderte er: „Die kann
man auch im Winter anbauen, die werden ja nur von außen an die
Fassade geschraubt, das ist ja nicht so schlimm. Die Türen baut man
dann eben später ein...“
Nun ja. Der Winter verstrich. Das
Frühjahr brach an, die Natur erwachte, alle waren glücklich und
genossen die wärmenden Strahlen der Sonne. Niemand sprach mehr von
oder dachte an die Balkone. Eines Tages am Ende des Wonnemonats Mai
begegnete mir wieder einmal der Vermieter. Im Vorbeigehen rief er:
„Ende des Monats! Ende des Monats kommen die Balkone!“ Ich
nickte, lächelte und ging schnell weg, das ganze wirkte inzwischen
ein wenig wie ein Running Gag. Da der Mai fast Geschichte war, ging
ich davon aus, dass er vom Juni sprach und wartete mit mäßigem
Interesse auch diesen Monat ab. Man wundert sich nicht mehr, dass
nichts geschah.
Im Juli jedoch sollten alle überrascht
werden. Wieder gab es ein Rundschreiben und einen konkreten Termin.
Und zum ersten Mal in dieser Geschichte wurde dieser auch eingehalten
– eine Horde Handwerker, allerlei Werkzeug, ein kompakter Kran und
eine ebenso kompakte Hebebühne strömten in unseren engen Hinterhof
und begannen mit der Arbeit. In wenigen Tagen waren die lang
angekündigten Balkone, eher unansehnliche Metallkonstruktionen, von
außen an der Fassade befestigt, wie es der Vermieter, ein wahrer
Prophet, einst angekündigt hatte.
Doch dies war nicht das Ende. Zwischen
Balkon und Wand klaffte jeweils ein etwa 20 Zentimeter breiter Spalt,
laut Erklärung „falls man da mal irgendwann in einigen Jahren die
Wände noch dämmen will“ (es graut mir ein wenig davor, dass dies
das nächste endlose Projekt im Haus wird), zudem gab es noch keine
Türen, wir mussten aus dem Fenster klettern um diese Erweiterungen
unserer Wohnungen nutzen zu können.
Auf Nachfrage beschwichtigten die
zuständigen Handwerker die ungeduldigen Mieter, zumindest was den
ersten Punkt anging, und kündigten an, dass sie zeitnah noch ein
Blech über den Abgrund setzen würden. Ein Versuch sie zeitlich
festzunageln führte immerhin zu der Aussage „Zwischen nächster
Woche und Ende August, denn dann gehen wir in Urlaub“.
Diese Leute tauchten zwar nicht in der
folgenden Woche auf (wir befanden uns inzwischen im August), doch
immerhin tat dies ein Mann, der mit dem Einbau von Fenstern seinen
Lebensunterhalt bestreitet. Dieser vermaß alles, was er brauchte, um
„zeitnah“ Balkontüren einzubauen – zudem prüfte er, an
welchen Stellen Heizkörper versetzt werden müssten, damit er
überhaupt arbeiten kann. Alle waren fast euphorisch, da sie hofften,
dass diese Odyssee nun vielleicht endlich ihren Abschluss finden
würde.
Doch wie das so ist, der Mensch lernt
nichts aus seiner Geschichte. Die Wochen verstrichen, ohne dass sich
einer der zuständigen Handwerker jemals wieder meldete. Sobald man
des Vermieters angesichtig wurde, wurde nachgehakt, doch er wusste
auch nicht mehr und kündigte nur an „da mal anzurufen“. Am Ende
des Monats betrat ein weiterer Akteur in diesem Stück die Bühne,
der Heizungsinstallateur. Auch er nahm sehr sorgsam Maß, da er in
einer unserer Räumlichkeiten eine Spezialanfertigung von Heizkörper
einbauen müsste – der Platz ließ nichts anderes zu. Doch auch an
dieser Front herrschte nach dem Termin nur noch Schweigen.
Vor einer Woche ging es dann plötzlich
Schlag auf Schlag. Die Bleche wurden angebaut, einen halben Tag lang
turnten die Handwerker auf den Balkonen herum, schoben die
Einrichtungen, die die Bewohner schon mal (eigentlich unerlaubt) dort
platziert hatten, beiseite und schlossen unter lautem Getöse und
Rumoren den Spalt zwischen Wand und Balkon. Eine Kleinigkeit zwar,
doch es ist wesentlich angenehmer auf dem Balkon zu sitzen, wenn man
nicht ständig beim Blick nach links bis hinunter auf den
gepflasterten Hof schauen kann.
Zwei Tage später war der Heizungsmann
da. Ein 1,95 m hoher Heizkörper soll nun im Winter verhindern, dass
wir im Schlaf erfrieren. Am selben Tag kündigte der Vermieter im
Vorbeigehen an, dass „nächste Woche dann die Türen kommen. Oder
übernächste Woche. Ich ruf' da nochmal an.“
Wie es aussieht, wird es dann die
„übernächste“. Übermorgen soll es losgehen und innerhalb von
drei Tagen erledigt sein. Man darf äußerst gespannt sein, welche
Hindernisse, halbfertigen Ergebnisse oder anderen Absonderlichkeiten
uns dabei noch erwarten. Vielleicht, aber nur vielleicht, endet an
der Stelle auch die lange Geschichte von der tollen Idee unseres
Vermieters und wir können uns alle glücklich und zufrieden dort
sonnen und Tomaten anpflanzen.
Diesen Text schrieb ich auf dem
Wohnzimmerbalkon sitzend und die Septembersonne des Jahres 2015
genießend. Die Mietpartei, die ursprünglich nach Balkonen gefragt
hatte, wohnt übrigens schon seit etwa zwei Jahren nicht mehr im
Haus. Ich hoffe, dass sie in ihrer neuen Bleibe endlich gefunden hat,
worauf sie hier vergeblich wartete.
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