Warum wird mir erst hinterher klar, was
ein Abschied bedeutet? Warum erkenne ich es erst, wenn es zu spät
ist, dass dieser Abschied vermutlich für immer sein wird? Warum
nimmt mich das so mit, wenn ich doch stets meine Gefühle im Griff
habe?
Das ist der Nachteil daran, wenn man
sich kontrolliert in der Öffentlichkeit, wenn man seine Emotionen
nicht ständig mitteilt und inflationär damit umgeht, wenn man
zurückhaltender auf Menschen zugeht. Sie gewöhnen sich daran und
gehen davon aus, dass man keine Gefühle hat, dass man sich nicht
daran stört, wenn unschöne Dinge passieren, dass es nichts
ausmacht, wenn sie ihre Aufmerksamkeit anderen zuteil werden lassen.
Und ich kann es auch nicht mitteilen, weil ich mich so daran gewöhnt
habe, mich hinter meinem Schild zu verstecken, dass es unmöglich
scheint, diesen eine Weile zu senken. Vermutlich wäre die Reaktion
darauf auch nicht positiv, sondern würde umgekehrt den Rückzug
bedeuten. Menschen hassen Veränderungen, wenn einer von ihnen sein
Verhalten ändert, wird er zwar gern lautstark ermutigt, insgeheim
kommt aber niemand damit zurecht, wenn vertraute Muster nicht mehr
gelten.
Der Schild ist zugleich mein Schutz und
mein Gefängnis, in das ich mich selbst gesperrt habe. Er schützt
mich davor mich zu sehr mit anderen zu befassen, er schützt mich
davor verletzt zu werden, wenn diese ihr wahres Gesicht zeigen. Doch
er hält mich auch zurück mich den wenigen Menschen, die mir nahe
sind und die mir etwas bedeuten, zu öffnen, ihnen durch Wort und Tat
zu zeigen, dass ich sie mag.
Und so kommt es zu den verpassten
Gelegenheiten, hinterher ist man immer schlauer, ich erkenne dann,
dass es so einfach gewesen wäre, ein paar nette Worte zu sagen, eine
freundliche Geste zu zeigen oder einfach nur einen Schritt auf die
anderen zu zu gehen. Denn auch für sie ist es nicht leicht, wie geht
man um mit jemandem, der hinter einem Schild lebt und immer wieder
klarmacht, dass er eigentlich auch nichts anderes will? Sie sind nur
konsequent und eigentlich höflich, indem sie mein äußeres Gebaren
respektieren.
Ein Abschied für eine ungewisse Zeit,
das ist es, was ich erlebt habe. Doch muss er wirklich ewig sein, wie
mir mein düsteres Gehirn weismachen will? Warum kann ich nicht daran
denken, dass sich nichts ändern wird, abgesehen von einer Adresse?
Warum muss ich daran denken, dass ein paar warme Worte und eine
längere Umarmung angemessener gewesen wären? Warum glaube ich, dass
der Kontakt über kurz oder lang nicht mehr existieren wird?
Neue Menschen werden kommen und gehen,
so ist es immer. Das gilt für alle Beteiligten. Doch wir, die wir
zurückbleiben, werden in Vergessenheit geraten, die Entfernung wird
größer werden, nicht nur die räumliche. Besuche werden
sporadischer, Gespräche oberflächlicher. Soziale Medien werden die
Realität ablösen, doch nicht ersetzen können, da hier die gleichen
Folgen auftreten werden. Warum sind dies die Gedanken, die mein
Gehirn beschäftigen?
Ein Mensch verlässt mein Leben, auch
wenn es nicht für immer ist.
Und dennoch fühlt es sich so ähnlich
an.
Warum nur bin ich so unzulänglich, was
den Umgang mit meinen Gefühlen angeht?
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