Donnerstag, 11. April 2013

Abschied

Warum wird mir erst hinterher klar, was ein Abschied bedeutet? Warum erkenne ich es erst, wenn es zu spät ist, dass dieser Abschied vermutlich für immer sein wird? Warum nimmt mich das so mit, wenn ich doch stets meine Gefühle im Griff habe?

Das ist der Nachteil daran, wenn man sich kontrolliert in der Öffentlichkeit, wenn man seine Emotionen nicht ständig mitteilt und inflationär damit umgeht, wenn man zurückhaltender auf Menschen zugeht. Sie gewöhnen sich daran und gehen davon aus, dass man keine Gefühle hat, dass man sich nicht daran stört, wenn unschöne Dinge passieren, dass es nichts ausmacht, wenn sie ihre Aufmerksamkeit anderen zuteil werden lassen. Und ich kann es auch nicht mitteilen, weil ich mich so daran gewöhnt habe, mich hinter meinem Schild zu verstecken, dass es unmöglich scheint, diesen eine Weile zu senken. Vermutlich wäre die Reaktion darauf auch nicht positiv, sondern würde umgekehrt den Rückzug bedeuten. Menschen hassen Veränderungen, wenn einer von ihnen sein Verhalten ändert, wird er zwar gern lautstark ermutigt, insgeheim kommt aber niemand damit zurecht, wenn vertraute Muster nicht mehr gelten.

Der Schild ist zugleich mein Schutz und mein Gefängnis, in das ich mich selbst gesperrt habe. Er schützt mich davor mich zu sehr mit anderen zu befassen, er schützt mich davor verletzt zu werden, wenn diese ihr wahres Gesicht zeigen. Doch er hält mich auch zurück mich den wenigen Menschen, die mir nahe sind und die mir etwas bedeuten, zu öffnen, ihnen durch Wort und Tat zu zeigen, dass ich sie mag.

Und so kommt es zu den verpassten Gelegenheiten, hinterher ist man immer schlauer, ich erkenne dann, dass es so einfach gewesen wäre, ein paar nette Worte zu sagen, eine freundliche Geste zu zeigen oder einfach nur einen Schritt auf die anderen zu zu gehen. Denn auch für sie ist es nicht leicht, wie geht man um mit jemandem, der hinter einem Schild lebt und immer wieder klarmacht, dass er eigentlich auch nichts anderes will? Sie sind nur konsequent und eigentlich höflich, indem sie mein äußeres Gebaren respektieren.

Ein Abschied für eine ungewisse Zeit, das ist es, was ich erlebt habe. Doch muss er wirklich ewig sein, wie mir mein düsteres Gehirn weismachen will? Warum kann ich nicht daran denken, dass sich nichts ändern wird, abgesehen von einer Adresse? Warum muss ich daran denken, dass ein paar warme Worte und eine längere Umarmung angemessener gewesen wären? Warum glaube ich, dass der Kontakt über kurz oder lang nicht mehr existieren wird?

Neue Menschen werden kommen und gehen, so ist es immer. Das gilt für alle Beteiligten. Doch wir, die wir zurückbleiben, werden in Vergessenheit geraten, die Entfernung wird größer werden, nicht nur die räumliche. Besuche werden sporadischer, Gespräche oberflächlicher. Soziale Medien werden die Realität ablösen, doch nicht ersetzen können, da hier die gleichen Folgen auftreten werden. Warum sind dies die Gedanken, die mein Gehirn beschäftigen?

Ein Mensch verlässt mein Leben, auch wenn es nicht für immer ist.

Und dennoch fühlt es sich so ähnlich an.

Warum nur bin ich so unzulänglich, was den Umgang mit meinen Gefühlen angeht?

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