Dienstag, 16. April 2013

Wahnsinn des Alltags: Der Bus

Es muss schon ein Geniestreich der Konstrukteure moderner öffentlicher Verkehrsmittel sein, dass den Fahrgast, kaum dass er in den Bus eingestiegen ist, der dringende Wunsch befällt ein längeres Bad zu nehmen und seine Haut mit Stahlwolle und Desinfektionsmittel zu bearbeiten. Doch natürlich spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle für das Gesamtbild neben den immer seltsam schmierigen Haltestangen, den in schreiend bunten Farben gemusterten Sitzen und den angenagt wirkenden Hartgummiummantelungen, die vermutlich für einen sicheren Griff in unsicheren Fahrsituationen sorgen sollen, den Betrachter aber eher zu tollkühnen Manövern der ungesicherten stehenden Mitfahrt verleiten, um nicht mit ihnen in Berührung zu geraten.

Da ist als weiterer Punkt das Fahrpersonal, das aufgrund seiner oft langen Erfahrung die Fahrgäste zu reiner Fracht abstrahiert, die auch schon den einen oder anderen Stoß durch kurzfristige Bremsaktionen, Überschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund des nahenden Feierabends oder schnelles Anfahren an Haltestellen um die Grünphase noch zu erwischen verkraftet. Mit stoischer Gelassenheit und finsterem Blick lenken sie ihr Gefährt durch den Verkehr und kümmern sich nicht um die Belange anderer, weder innerhalb noch außerhalb ihres Busses. Und wer kann es ihnen verdenken, ist sich doch im Straßenverkehr jeder selbst der nächste und haben die Fahrer doch schon einiges erlebt und allzu regen Kontakt mit dem nächsten Faktor: Den Fahrgästen.

Von lautstark hustend und röchelnd vor sich hin Sterbenden, über den Bus trotz Kopfhörer in einwandfreier Klangqualität mit Musik Beschallenden bis zu dem Geruch nach der tiefsten Kloake der Stadt Entstiegenen ist alles dabei, ein bunter Mix aus Menschen verschiedenen Alters, Geschlechtes und politischer Einstellung. Da wird in aller Öffentlichkeit das Innere der Nase auf genaueste erkundet, da werden telefonisch wichtige Informationen über den Gesundheitszustand der Großmutter geteilt und da werden die sexuellen Qualitäten der letzten Discobekanntschaft in allen schlüpfrigen Details mit dem Nebenmann erörtert, für jeden scheint etwas dabei zu sein. Über allem liegt entweder der Mief von zwangsweise zusammengepferchten Menschen, eine Mischung aus Schweiß, Angst und ungewaschenen Socken oder ein kalter Wind, der durch sämtliche geöffneten Seitenfenster und Deckenklappen hereinweht und dem zitternden Fahrgast Haare, Zeitungen und andere bewegliche Teile ins Gesicht pustet.

All diese Dinge zusammen ergeben das unverwechselbare Gefühl einer Busfahrt und sei sie noch so kurz. 

Was bleibt ist das wohlige Gefühl durch den Verzicht auf ein eigenes Auto etwas zum Klimaschutz geleistet zu haben und der dringende Wunsch sich zu waschen um den schmierigen, fast greifbaren Film, den man am Ziel angekommen auf der Haut spürt, los zu werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen