„Das Glück hängt
nicht von dem oder jenem Seelenzustand ab, es besteht nur im Vergleich des
eigenen Zustandes mit dem des anderen.“
Dieser Satz stammt aus „Justine oder Die Leiden der Tugend“,
verfasst Ende des 18. Jahrhunderts vom berühmt-berüchtigten Donatien Alphonse
Francois, Marquis de Sade. Mit diesem Ausspruch (und noch vielen mehr) versucht
eine der vielen philosophisch geschulten Frevlerinnen, denen die Titelheldin
über den Weg läuft, diese vom wahren Wert des lasterhaften Lebens zu
überzeugen. Justine bleibt, wie stets, standhaft und erleidet nicht zuletzt
daher noch viele weitere Qualen. Nun kann man geteilter Meinung über die in
diesem Buch verfassten Philosophien und Meinungen sein, ebenfalls darüber, ob
man es nun unbedingt gelesen haben muss, jedoch ließ mich dieser eine Satz (und
auch einige andere) doch kurz innehalten und ließ mich nachdenklich werden.
Tatsächlich steckt darin anscheinend mehr Wahrheit und
Aktualität, als man denken mag. Es scheint den Menschen ungeheuer wichtig zu
sein ihre eigene Situation, im Guten wie im schlechten, mit der anderer
Personen zu vergleichen und sie können offenbar erst dann Zufriedenheit
empfinden, wenn sich diese beiden Situationen unterscheiden. Man freut sich
darüber, der Beste zu sein bei Wettbewerben, die Kollegen bei einer anfallenden
Aufgabe übertroffen zu haben oder anzusehen, wie Bekannten kleine Missgeschicke
geschehen, möglichst solche, vor denen man sie gewarnt hat, während man selbst
unbeschadet bleibt.
Das hat verschiedene Gründe: Lob und Anerkennung durch die
weniger Glücklichen fühlt sich natürlich gut an, doch auch der Neid auf das
eigene Glück kann die Laune heben, selbst wenn das wohl nur wenige zugeben
werden. An dem bekannten Spruch „Ich muss nur an [beliebige Person mit Problem
XY] denken, dann geht es mir schon besser“ erkennt man, dass offenbar nicht nur
de Sade erkannt hat, dass das Glück erst im Vergleich greifbar wird. Auch meint
man bei vielen Menschen, die sich für eine „gute“ Sache einsetzen, immer wieder
zu spüren, dass sie dies eigentlich nur
tun, um ihren Artgenossen gegenüber das Gefühl haben zu können, sie seien die
besseren Menschen und dadurch auch die glücklicheren.
Interessant wird es allerdings erst, wenn das Phänomen aus
der anderen Richtung auftritt, wenn Menschen anfangen ihre Probleme und ihr
Leid mit dem anderer zu vergleichen und anscheinend alles daran setzen, diese
zu übertrumpfen und schlechter dran zu sein. Da werden dann Krankheiten,
Unglücke und andere Gebrechen gegeneinander aufgewogen, tragische Schicksale
enthüllt, dass es eine Freude ist, zumindest
für die Beteiligten. Widerwillig wird dem „Sieger“ dann vom Unterlegenen
Respekt in Form von Mitleid gezollt, nichts anderes wollte er ja.
Mitleid zu bekommen kann sich auch gut anfühlen. Man bekommt
Aufmerksamkeit, jemand kümmert sich um die Sorgen und Nöte oder hört sie sich
zumindest an. Für einen Moment steht man im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit,
auch wenn es nicht aus angenehmen Gründen ist… das kann anscheinend süchtig
machen. Immer neue Probleme werden dem mitfühlenden Ohr offenbart, immer wieder
muss die arme Seele getröstet werden, weil es ihr schlecht geht, dabei wird
keine Winzigkeit ausgelassen um das Mitleid, das einem entgegen gebracht wird,
noch zu steigern.
Zumindest diese letzte Entwicklung dürfte dem guten Donatien
nicht behagt haben, ging es ihm doch in seinem Buch stets immer um Stärke und
Macht und den Triumph derer, die diese beiden Attribute nutzen, über die
Schwächeren. Mitleid und Hilfe für
andere haben in seiner Philosophie keinen Platz bzw. sind sie auch nur Ausdruck
des Bestrebens nach dem eigenen Glück, fühlt sich doch der Helfer wiederum aus
verschiedenen Gründen besser, wenn er anderen einen Teil seiner Zeit widmet.
Worauf will ich nun hinaus? Dass Menschen Egoisten sind, die
nur ihr eigenes Wohl im Auge haben, selbst wenn sie eigentlich für andere
handeln? Dass wir erst dann einigermaßen zufrieden sind, wenn wir unseren
Zustand, ob gut oder schlecht, mit dem anderer vergleichen können? Zum großen
Teil mag das wohl stimmen und es fallen mir direkt diverse lebende Beispiele
für die hier beschriebenen Verhaltensmuster ein. Vermutlich muss man diese
Dinge auch einfach hinnehmen und damit leben, gehören sie doch anscheinend fest
zum menschlichen Wesen.
Doch es gibt auch die Momente, in denen es anders läuft und die einem plötzlich vor Augen führen, dass es auch anders geht. Momente, in denen man einfach glücklich ist ohne dies von anderen abhängig zu machen oder sich mit anderen vergleichen zu müssen. Vielleicht sollte man sich mehr auf diese Momente konzentrieren, denn…. tja, sie fühlen sich einfach besser an als jene, in denen das Wohlbefinden von dem der anderen abhängt. Und letztlich geht es ja doch wieder darum sich besser fühlen. Wie nennt es de Sade einige Zeilen über dem eingangs genannten Satz:
Doch es gibt auch die Momente, in denen es anders läuft und die einem plötzlich vor Augen führen, dass es auch anders geht. Momente, in denen man einfach glücklich ist ohne dies von anderen abhängig zu machen oder sich mit anderen vergleichen zu müssen. Vielleicht sollte man sich mehr auf diese Momente konzentrieren, denn…. tja, sie fühlen sich einfach besser an als jene, in denen das Wohlbefinden von dem der anderen abhängt. Und letztlich geht es ja doch wieder darum sich besser fühlen. Wie nennt es de Sade einige Zeilen über dem eingangs genannten Satz:
„ Es handelt sich nur
um das sehr einfache und natürliche Verlangen, sich ein möglichst großes
Quantum Glück anzueignen.“
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