Gleich einem klingenbewehrten Streitwagen, der sich
historisch inkorrekt in einer antik anmutenden Arena in einem alten
Monumentalfilm seinen Weg durch die Kontrahenten in einem Rennen auf Leben und
Tod frei pflügt, bewegen sich, sobald schon der leichteste Hauch von
erhöhter Luftfeuchtigkeit zu spüren ist,
ältliche, ältere und schlichtweg alte Damen, die bei dem erwähnten Wagenrennen
möglicherweise unter den Zuschauern zu finden waren, durch die Innenstädte und
fräsen mit ihren Regenschirmen alles weg, was nicht schnell genug ausweichen
konnte oder das Pech hatte zur falschen
Zeit am falschen Ort gewesen zu sein.
Dabei machen sie keinerlei Unterschied zwischen Männern,
Frauen oder Kindern, wobei letztere bis zu einer gewissen Körpergröße vor den
schlimmsten Blessuren geschützt bleiben mögen.
Köpfe, Gesichter, Augen, Hälse, Nasen, Zähne,… nichts ist sicher, der
einzige Schutz lautet: Abstand halten! Besonders gefährlich wird es für den
unbedarften Passanten, wenn es zu einem Engpass kommt und mehrere der
lebensgefährlichen Waffen auf kleinem Raum aufeinander treffen. Das hier
einsetzende Hauen und Stechen ist brutal und rücksichtslos und glücklich ist
der, der nur mit leichten Blessuren seinen Weg fortsetzen kann.
Die ältlichen, älteren oder einfach nur alten Damen merken
indes von alldem nichts. Ihr Schirm schützt sie, die Angriffe der anderen
Schirme prallen wirkungslos von seiner elastischen Plastikhülle ab, spüren sie,
dass sie auf Widerstand gestoßen sind, kontern sie diesen mit mehr Druck und
setzen ihren Weg unbeirrt fort, gleich einem Gletscher, der zu Tal rutscht.
Der Regenschirm verleiht Macht, Macht über die Massen, Macht
über Leben und Tod, die Macht zum selbstbestimmten Weg. Werden bei schönem Wetter die ältlichen,
älteren und besonders die alten Damen oft übersehen, in ihrem Vorankommen
behindert, belächelt oder gar mit den überheblichen Sprüchen der Jugend ob
ihrer Langsamkeit bedacht, können sie bei Regen den Spieß endlich umkehren. Nun
sind sie diejenigen, die das Tempo vorgeben und die unumstößlichen Herrscher
der Fußgängerzonen stellen. Selbst wenn es jemand wagen sollte, sich darüber zu
beschweren, so filtert der Schirm zuverlässig alle lästigen Störgeräusche und
Schmerzensschreie für seine Trägerin.
So bleibt dann nur uns Opfern der Übergriffe blutdurstiger
Schirmträgerinnen die Straßen zu meiden, sobald graue Wolken aufziehen und die
Luft nach Regen riecht. Wenn sie ihr Zeichen der Macht erhoben haben und sich
den Weg durch unachtsame Menschen bahnen, können wir nur abwarten und auf einen
heißen, sonnigen Sommer hoffen.
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