Donnerstag, 11. April 2013

Wahnsinn des Alltags: Der Regenschirm - Waffe und Machtsymbol



Gleich einem klingenbewehrten Streitwagen, der sich historisch inkorrekt in einer antik anmutenden Arena in einem alten Monumentalfilm seinen Weg durch die Kontrahenten in einem Rennen auf Leben und Tod frei pflügt, bewegen sich, sobald schon der leichteste Hauch von erhöhter  Luftfeuchtigkeit zu spüren ist, ältliche, ältere und schlichtweg alte Damen, die bei dem erwähnten Wagenrennen möglicherweise unter den Zuschauern zu finden waren, durch die Innenstädte und fräsen mit ihren Regenschirmen alles weg, was nicht schnell genug ausweichen konnte oder  das Pech hatte zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein.

Dabei machen sie keinerlei Unterschied zwischen Männern, Frauen oder Kindern, wobei letztere bis zu einer gewissen Körpergröße vor den schlimmsten Blessuren geschützt bleiben mögen.  Köpfe, Gesichter, Augen, Hälse, Nasen, Zähne,… nichts ist sicher, der einzige Schutz lautet: Abstand halten! Besonders gefährlich wird es für den unbedarften Passanten, wenn es zu einem Engpass kommt und mehrere der lebensgefährlichen Waffen auf kleinem Raum aufeinander treffen. Das hier einsetzende Hauen und Stechen ist brutal und rücksichtslos und glücklich ist der, der nur mit leichten Blessuren seinen Weg fortsetzen kann. 

Die ältlichen, älteren oder einfach nur alten Damen merken indes von alldem nichts. Ihr Schirm schützt sie, die Angriffe der anderen Schirme prallen wirkungslos von seiner elastischen Plastikhülle ab, spüren sie, dass sie auf Widerstand gestoßen sind, kontern sie diesen mit mehr Druck und setzen ihren Weg unbeirrt fort, gleich einem Gletscher, der zu Tal rutscht.

Der Regenschirm verleiht Macht, Macht über die Massen, Macht über Leben und Tod, die Macht zum selbstbestimmten Weg.  Werden bei schönem Wetter die ältlichen, älteren und besonders die alten Damen oft übersehen, in ihrem Vorankommen behindert, belächelt oder gar mit den überheblichen Sprüchen der Jugend ob ihrer Langsamkeit bedacht, können sie bei Regen den Spieß endlich umkehren. Nun sind sie diejenigen, die das Tempo vorgeben und die unumstößlichen Herrscher der Fußgängerzonen stellen. Selbst wenn es jemand wagen sollte, sich darüber zu beschweren, so filtert der Schirm zuverlässig alle lästigen Störgeräusche und Schmerzensschreie für seine Trägerin.

So bleibt dann nur uns Opfern der Übergriffe blutdurstiger Schirmträgerinnen die Straßen zu meiden, sobald graue Wolken aufziehen und die Luft nach Regen riecht. Wenn sie ihr Zeichen der Macht erhoben haben und sich den Weg durch unachtsame Menschen bahnen, können wir nur abwarten und auf einen heißen, sonnigen Sommer hoffen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen